Manch Reisenden mag eine Stadt wie Shanghai mit ihren knapp 25 000 000 Einwohnern riesengroß, einschüchternd oder erdrückend erscheinen. Andere hingegen schätzen die Anonymität in solch einer Großstadt, genießen ihre Vielfalt und empfinden Weitläufigkeit anstatt Enge. Das Spektrum warum wer was in jener Stadt genießt bzw. bevorzugt mag so vielfältig wie die Anzahl ihrer Bewohner selbst sein.
Ich dufte hier Menschen kennenlernen welche von Geburt an ihr Viertel so gut wie nie verlassen haben. Sie finden die für sie notwendige Infrastrukur in wenigen Straßenzügen und waren in ihrem Leben noch kein einziges mal an der Stadtgrenze, geschweige denn außerhalb von Shanghai. Die Frage bzw. der Titel des Blogs: wie klein kann groß sein? bezieht sich auf die ‚kleinen Welten‘ in dieser großen Stadt mit knapp 25 Millionen Menschen. Aus der Vogelperspektive betrachtet leben jene Menschen ihr ganzes Leben inmitten ihres kleinen Universums, passen sich so gut wie möglich den Gegebenheiten an und das ohne großes Interesse für Veränderungen zu hegen.
Oh ja…. es gibt ein Chinatown in Chinatown und dort leben meist alte Menschen welche den Wandel der Zeit vor Ort erlebt und viel über ihn zu berichten wissen. Während Shanghai in manchen Stadtteilen einem vernachlässigten Dorf gleicht, gibt es andere Regionen, welche sich mit rasanten (bautechnischen) Tempo dem Himmel nähern. Das Herz der Stadt gibt den Takt vor und jener wirkte auf mich unheimlich, gnadenlos und dominant. Man spürt die Geschwindigkeit und die Dynamiken des Wandels welche eine permanente Anpassung fordert. Jene die das Tempo nicht halten können spült der Alltag in die Vorstädte und zieht sie, der Bewegung von Ebbe gleich, wie ein Sog in die Ungewissheit.
Ich fühlte mich wie ein Nano Partikel (zur Anschauung: ein Nano Partikel hat die Größe eines Fussballs im Vergleich zur Erde) in dieser Metropole mit knapp 25 Millionen Menschen. Einerseits total fasziniert von der Eigendynamik dieser niemals schlafenden und dauerhaft pulsierenden Stadt und anderseits verloren in dieser mir unbekannten Metropole. Mein Unterkunft , welche ich wieder mal über Airbnb gebucht hatte, befand sich in Huangpu , zwei Gehminuten von der Metro Station entfernt und vom Zimmer hatte ich einen genialen Blick auf den Fluss. Die Örtlichkeit der Wohnung war perfekt, ihr Stil typisch. Schon der klapprige Aufzug mit Eisengittern war furchterregend und in den Gängen konnte man das ganze Spektrum der chinesischen Küche riechen (und größtenteils auch sehen). Shanghai ist eine Stadt der Gegensätze wobei Gegensätze hier als Spiegel des Wandels zu verstehen sind. In ihr ‚gefangen‘ fühlt man das Pulsieren und wird selbst zum Herzschlag jener Dynamik.
Ich kam Anfang Februar, genau zum Beginn des chinesischen Neujahrs, dem Jahr des Feuer Hahns, nach Shanghai. Zu dieser Zeit, so würden es die Einwohner Shanghais bezeichnen, ist die Stadt fast menschenleer!!! Seit mehr als 2000 Jahren benennen die Chinesen die Jahre in einem Zwölfer-Zyklus nach Tieren. Nach einigen Legenden soll Buddha die Tiere selbst benannt haben. In dem chinesischen Kalender, der auf den mythischen Gelben Kaiser (um 2600 vor Christus) zurückgeht, spielen die Tierkreiszeichen bei der traditionell weit verbreiteten Wahrsagerei und Horoskop-Stellung eine Rolle und das wird auch ordentlich gefeiert. Also dann …. 雞 年 安康 Jī nián ān kāng (Frieden und Gesundheit im Jahr des Hahns). Übrigens… das chinesische Zeichen 雞 (Hahn) bezieht sich sowohl auf Henne als auch Hahn !
Bei dem vielen Feiern bleibt einem doch schnell mal die Luft weg , dass wiederum liegt dann wohl eher an der erschreckenden Luftqualität von Shanghai und China im speziellen. Anbei ein Auszug vom 27 April 2017 welcher einen durchschnittlichen Tageswert der Stadt widerspiegelt.
Nach Angaben des Ministry of Environmental Protection of China (MEP) liegt der aktuelle PM2.5-Feinstaubwert in Shanghai bei 50 µg/m³ und der Air Quality Index (AQI) bei 28. Gemessen auf die letzten 24 Stunden liegt die durchschnittliche Feinstaubbelastung in Shanghai bei 26 µg/m³ (siehe Grafik: Feinstaubbelastung der letzten 24 Stunden in Shanghai). Damit wurde zwar der chinesische Grenzwert von 75 µg/m³ eingehalten, der internationale Grenzwerz von 25 µg/m³ wurde jedoch um 1 µg/m³ überschritten. Der folgende Link, Luftverschmutzung Shanghai zeigt die aktuelle Werte in Chinas 366 Städten und ist eine faszinierende wie ernüchternde Darstellung.
Die Geschichte Shanghais ist so spanned, verwirrend und umfangreich das euch der Link ein wenig Übersicht verschaffend könnte. Ich ertappe mich selbst immer wieder dabei über diese Stadt und dessen Entwicklung zu lesen. Das liegt wohl an meinen stark ausgeprägten Sinn für Visualisierungen welcher beim Lesen die Geschichte lebendig werden lässt. Shanghai gliedert sich in viele Bezirke wobei ich den neueren Stadtteil Pudong mit ‚The Bund‘ (= der international bekanntere englische Name einer langen Uferpromenade am westlichen Ufer des Huangpu-Flusses gegenüber der Sonderwirtschaftszone) so wie die alten Viertel in Chinatown und natürlich die Art Dèco Oase, die französische Konzession, am beeindruckendsten fand.
Die Französische Konzession in Shanghai wurde 1849 von französischen Geschäftsleuten und Händlern gegründet, die sich dauerhaft hier niederließen. Das Viertel erstreckt sich über die Stadtteile Luwan und Xuhui im Südwesten der Stadt und ist am schnellsten mit der U-Bahnlinie 1 zu erreichen. Wirklich spannend fand ich, dass damals die französische Konzession, einen autonomen Bezirk bildete in dessen die Gesetze Chinas nicht galten! Im Gegensatz zu den gut kontrollierten Bezirken der Briten war das französische Gebiet das ideale Terrain für Korruption und Gesetzlosigkeit.
Voila… die Bilder von heute erinnern wohl nur mehr architektonisch an jene Zeit. Wobei die alten Landhäuser, im Tudor Stil erbaut, später hochrangigen Parteifunktionären und prominenten Familien aus Shanghai als Residenz dienten und heute als Museum für Besucher offen stehen.
Nach der französischen Konzession ging es gleich weiter zum Shanghai Museum welches sehr dominant auf mich wirkte. Dieser mächtige Bau mit interessanten Beständen ist immer gut besucht und nach drei Versuchen habe ich den Besuch aufgrund der langen Wartezeiten an den Kassen einfach sausen lassen und zog mit der Kamera durch die eher älteren Viertel von Shanghai.
Das U-Bahnsystem System ermöglicht es Shanghai auf eine einfache und effiziente Art zu erkunden aber ich war wie immer sehr viel zu Fuß so wie auch mit dem Fahrrad unterwegs. Fahrräder welche sich mittels QR Codes öffnen lassen findet man wirklich überall. QR Codes sind grundsätzlich aus Chinas Metropolen nicht mehr wegzudenken aber Vorsicht, den Betrüger können jene überkleben und sich somit Zugang zu Anwendungen wie z.B. We Chat-Wallet oder Alipay Konto verschaffen !!! Beitrag: Millionenbetrug Shanghai durch falsche QR Codes
Ich war zwar nur sieben Tage in Shanghai doch waren jene voll ausgefüllt, bin früh am morgen losgezogen und auch mitten in der Nacht noch mal zum Fotografieren raus auf die Strassen. Keine Frage… die Stadt pulsiert in ihrem eigenen intensiven und schnellen Takt doch frühmorgens oder nächtens durch diese riesige Metropole zu schlendern hatte was aufregendes und beruhigendes zugleich. Die Lichter, meine Kamera, einwenig Bargeld und von 25 000 000 Menschen umgeben.
Shanghai, Februar 2017
Shanghai, day & night ..