Eine Kultur voller faszinierender Gegensätze, verwurzelt im Konfuzianismus und katapultiert in den Konsum. Die südkoreanische Gesellschaft ist nicht nur ordentlich verwirrt, sondern auch auf der Suche nach einer neuen Identität. Die, im wahrsten Sinne des Wortes, maßgeschneiderte Jugend schlittert durch die gesellschaftliche Doktrin des Narzissmus einer ungewissen Zukunft entgegen.
Mein Wissen über Südkorea, und im speziellen über Seoul, war milde ausgedrückt gering, aber meine Neugierde groß und so packte mich schon bei der Anreise das ‚Wissensfieber’, welches ich mit ausreichendem Lesestoff besänftigte. Als der mächtige Airbus A380 mit 682 Passagieren butterweich am Flughafen Incheon in Seoul landete, war es endlich soweit und ich konnte meine Neugierde vor Ort stillen. Der Flughafen selbst pulsiert als mächtiger Organismus und spült jährlich an die 50 Millionen Passagiere in die Hauptstadt Südkoreas, wobei die Einreise zügig bzw. reibungslos verlief und somit das typische Klischee koreanischer Geduld und Hingabe bestätigt wurde.
Die Flugzeit von Wien nach Seoul, mit Zwischenlandung in Dubai, beträgt 13 Stunden und endlich hatte das lange Sitzen ein Ende. Jetzt tat Bewegung gut und ich machte mich auf den Weg zur Tourist Information, um Geld abzuheben und um Ausschau nach dem Bus 6002 zu halten, welcher für die Fahrt ins Stadtzentrum von Seoul gut 70 Minuten brauchen würde. Schon die erste Geste des Busfahrers, welcher sich vor der Abfahrt ins Stadtzentrum tief vor seinen Fahrgästen verbeugte, beeindruckte mich. Das diese respektzollende Geste erst der Anfang des kulturellen Kollektivismus sein sollte war mir schon klar, aber dass sich diese Ausprägung dann wirklich auch durch alle Handlungen des Alltags und die Denkweise ziehen sollte, war dann doch (nach einigen Gesprächen mit Jugendlichen) überraschend.
Die Einwohnerzahl von Seoul betrug 2015 knapp über 10 Millionen und die Stadt hat eine hohe Bevölkerungsdichte, die fast doppelt so hoch ist als die von New York City. Die Stadt ist das Zentrum der Metropolregion Sudogwon, in der etwa 25,4 Millionen Menschen leben (Stand 2015). Damit konzentriert sich etwa die Hälfte aller Südkoreaner in der Stadt Seoul und deren Satellitenstädten. Sudogwon gilt als einer der fünf größten Ballungsräume der Welt und auch als viertgrößter Wirtschaftsraum der Welt. Neben ihrem Status als Hauptstadt und bevölkerungsreichste Stadt Koreas ist Seoul zudem das Finanz-, Kultur- und Bildungszentrum Südkoreas. Die Stadt richtete die Olympischen Sommerspiele 1988 aus und war einer der Austragungsorte der Fußball-Weltmeisterschaft 2002.
Meine Unterkunft habe ich (wie meist) über Airbnb gebucht und sie liegt im Gebiet der Hongik Universität in Seoul, mit nur 15 Gehminuten von gleichnamiger U-Bahnstation der Linie 2 entfernt. Momo & Pool haben hier ein super Preis-Leistungsangebot und Pools Hinweise und Erklärungen sind Gold wert. Die Zimmer sind einfach aber völlig ausreichend. Das Flair, die Örtlichkeit und die Hilfsbereitschaft lassen keinen Zweifel aufkommen, dass ich hier gut aufgehoben bin. Pajamaparty Guesthouse nennt sich Momo & Pools Haus, welches ‚nebenbei’ aus einer Nachbarschaftskooperation entstand. Unterkunft: Pools & Momos Guesthouse Fußbodenheizung, einfachstes Frühstück inklusive, heißes Wasser (Dusche & WC im Privatbereich), Stadt- und U-Bahnpläne sowie WIFI sind ebenfalls vorhanden.
Die Ausdehnung der Stadt ist wirklich mächtig und auch wenn ich meine Erkundungen zu Fuß liebe, ist hier das Fahren mit der U-Bahn oder den Bussen unerlässlich. Das Streckennetz deckt alles ab und das System ist einfach und schnell zu verstehen. Ja natürlich braucht es (wie überall) ein wenig Zeit, um den Überblick zu bekommen, aber wenn das geschafft ist, kann man Seoul hervorragend entdecken. Am besten besorgt man sich eine sogenannte Tmoney Plastikkarte, welche man überall in den U-Bahnstationen bekommt und somit Bargeld gegen Guthaben tauscht.
Die verschiedenen U-Bahn-Linien sind farblich und, neben Koreanisch und Chinesisch, auch in Englisch angeschrieben. Die Tmoney Karte selbst kann man ebenfalls wieder in jeder U-Bahn-Station aufladen und das Beste an dem U-Bahn-System ist jedoch, dass es an jeder Station saubere, kostenfreie Toiletten gibt! Das nenne ich mal eine wirklich positive Maßnahme für das Volk. Eine wirklich hervorzuhebende Information & Tatsache, welche ich auch gleich als persönlichen Anlass zur generellen Forderung von kostenfreien Toiletten in U-Bahn-Stationen und wichtigen öffentlichen Verkehrsknotenpunkten nütze. In Seoul findest du (fast) flächendeckendes gratis WLAN und eben kostenfreie saubere Toiletten!
Zurück zur U-Bahn:
Hier gibt’s jetzt mal die Details zum U-Bahn-System Seoul
Taxifahren ist in Seoul auch eine vergleichbar günstige Alternative zu den öffentlichen Verkehrsmitteln. Startpreis: 3000 KRW – Südkoreanischer Won = 2,36 EUR (Stand Jänner 2017). Eine 20-minütige Fahrt kommt somit in etwa auf 8,00 EUR und da lässt sich eine ordentliche Strecke zurücklegen. Wer die anfängliche Scheu abgelegt hat, wird sich jedoch an dem U-Bahn-System erfreuen. Es sind unheimlich viele junge Menschen unterwegs und das Handy ist so gut wie immer und überall dabei – kein Wunder mit Samsung als größtes südkoreanisches Unternehmen mit 490.000 Mitarbeitern. Hyundai ist natürlich nicht weniger präsent und auch ein Grund, warum Südkorea die geringste Arbeitslosenquote mit 3,6 % (Stand 2016) unter allen OECD-Mitgliedern aufweist.
Die Jugend ist stark geprägt. Kollektive Schönheitsideale und übersteigerte Selbstbewunderung haben dazu geführt, dass mittlerweile zwischen 60 und 80 % aller unter Dreißigjährigen schon eine (oder mehrere) Schönheitsoperationen hinter sich haben. Dazu ein Bericht: Seoul Schönheitsoperationen
Das Mobiltelefon ist wie schon erwähnt allgegenwärtig und dann gibt’s noch Essen, Trinken und Shoppen. Die Prioritäten der Jugendlichen bis 25 Jahre sind somit auf wenige Dinge fokussiert, wobei die über 30-Jährigen (und älter) keinen Tag ohne Demonstrationen verstreichen lassen, welche durch den Politskandal im Herbst 2016, rund um die südkoreanische Präsidentin Park Geun Hye, aufgewirbelt wurden. Ein ungewöhnliches Bild für Südkorea, wo sonst doch immer alles so friedlich vor sich hin strömt.
Die interessantesten Begegnungen spielen sich natürlich auf Seouls Strassen ab. Nirgendwo sonst ist die Bandbreite zwischen Kultur und Konsum, zwischen Tradition und Aufbruch und zwischen Protest und Hinnahme so groß und direkt spürbar.
Seoul hat natürlich jede Menge an interessanten Sehenswürdigkeiten und alle sind mit den öffentlichen Verkehrsmitteln sehr gut erreichbar. Für Frühaufsteher ist der Noryangjin Fischmarkt ein Muss! Wer jedoch nach 06.00 Uhr früh auftaucht kann gleich im Bett bleiben, denn die Auktionen beginnen ab 04.30 Uhr und enden ebenso gegen 06.00 Uhr. Fischmarkt Seoul
Zurzeit gibt es noch ein paar alte Handwerks- und Künstlerviertel, aber es ist anzunehmen und im Gespräch, dass jene bald neuen Büros und Wohneinheiten weichen sollen.
Wenn man sich ein paar Tage durch Seoul treiben lässt fühlt man sich trotz dieser Dimension und über 10 Millionen Einwohnern extrem sicher und innerhalb 30 Minuten erreicht man vom Zentrum aus schöne Naherholungsgebiete. Warum ist das so? Koreas Waffengesetze und das System zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung sind als Gründe für dieses Resultat genannt. Laut Numbeo, einer Datenbank für Städte- und Länderstatistiken, hat Korea mit 85,69 Punkten unter 117 aufgeführten Ländern den höchsten Sicherheitsindex der Welt und liegt 2016 sogar noch vor Singapur. Bericht Sicherheitsindex
Dieses Sicherheitsgefühl kann ich nur bestätigen und es verbreitet ein unterbewusstes Wohlgefühl, welches dazu einlädt auch zu späten Stunden unterwegs zu sein. Seoul bei Nacht hat einen ganz eignen Flair und Charme, der, da hier die Geschäfte und Restaurants meist bis Mitternacht geöffnet haben, dazu einlädt die Erkundungstouren zu verlängern, um dann noch irgendwo auf einen kleinen Imbiss einzukehren.
Die Menschen wirken hier trotz des Alltags ziemlich entspannt, da sie auf die Ordnung vertrauen. Für mich ist es extrem spannend zu beobachten, wie gelassen hier täglich Millionen von Menschen mit dem Straßenverkehr, den öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Alltag in den Ballungsräumen zurechtkommen ohne dabei apathisch zu sein.
Was die Küche und die unglaubliche Vielfalt der südkoreanischen Speisen anbelangt, so kann man in jedem Restaurant bedenkenlos mit dem Finger auf ein Gericht zeigen und es schmeckt garantiert. Die bunten Märkte, dampfenden Kessel und die unendlich vielen Stände mit frischem Gemüse, Fischen etc. sind mit ihren Farben, Gerüchen und angebotenen heißen Suppen ein Muss für jeden Genießer gastronomischer Freuden.
Ich war im Jänner 2017 für eine Woche in der Hauptstadt Südkoreas und es hätte kein Tag weniger sein sollen, um einen Großteil der Sehenswürdigkeiten besuchen zu können. Die Wintermonate sind mit einer Durchschnittstemperatur von – 8 °C frisch, aber dennoch angenehm und haben den großen Vorteil, dass es wirklich wenige Touristen gibt. Anbei mal einige Empfehlungen, welche öffentlich leicht zu erreichen und einen guten Einblick in die Geschichte & Kultur Südkoreas bieten.
Changdeokgung ist einer von 5 erhaltenen Königspalästen aus der Joseon-Dynastie in Südkoreas Hauptstadt Seoul.
Deoksugung Koreanischer Palast welcher während der Joseon-Dynastie gebaut wurde
Jogye-sa Tripadvisor Review
Gyeongbokgung Gyeongbokgung Palast steht für ’strahlende Glückseligkeit‘
N -Tower Seoul Nachtaufnahme des Towers
Märkte:
Gwangjang Gwangjang Markt mit vielen Ständen und Garküchen
Namdaemun Namdaemun ist ein großer traditioneller Markt
Für Architekturinteressierte ist der Besuch des Dongdaemun Design Plaza von Zaha Hadid und Samoo Architects aus Seoul ein Highlight. ddp Design Center bei Zaha Hadid
Zur Naherholung liegt im Norden Seouls der Bukhansan National Park: Hügellandschaft Nähe Seouls zum Wandern und auch Klettern
Die 5 wichtigsten Dinge, die dich in Seoul ständig und fast überall umgeben:
- Handys und Menschen (und nicht umgekehrt)
- U-Bahnstationen & Busse (mit sauberen GRATIS Toiletten !!!)
- Essen, gutes Essen & unheimlich gutes Essen
- sauberste Straßen und öffentliche Plätze sowie ein absolutes Sicherheitsgefühl
- gratis WIFI & super Cafés (Kaffee ist gegenüber allen anderen Lebens- & Genussmitteln verhältnismäßig teuer)
Die 5 Dinge die du in Seoul kaum sehen wirst:
- Rauchen in der Öffentlichkeit (dafür gibt es eigens vorgesehene Boxen)
- übergewichtige Personen
- Essen und Trinken in der Öffentlichkeit
- Kleinkinder, Kinderwagen & Hunde in U-Bahnen und der Öffentlichkeit
- Ungeduld, hupende Autos, unangebrachtes Verhalten
Seoul, Jänner 2017