Itchy Feet

Oslob – Philippinen, Hommage an den Walhai

Der Wellengang hat zugenommen und meine Hände umfassen die Reling immer fester, während sich mein Kopf nach hinten in den Nacken neigt und die Nase sich dem Himmel entgegenstreckt. Unbewusst und so als ob ich durch die Nase sehen, tasten, schmecken, hören und riechen zugleich möchte. Die Nasenflügel weiten sich wie das Meer, das mich umgibt und das Boot vertreibt meinen Gedanken zugleich. Nur ein Schrei, ein ausgespucktes Wort, welches mich wie eine Harpune trifft: WALHAI

Sofort sind alle Gedanken, Erinnerungen, Hoffnungen, Vorstellungen sowie auszuführende Handgriffe präsent. Die Ausrüstung zum Abtauchen ist angelegt und schon wieder Versunken in Gedanken sinke ich ebenfalls. Schwerelos, in ein mir nicht ganz fremdes blaues Universum und es ist einer dieser seltenen Momente, in dem die Selbstkontrolle aussetzt und von dem Überraschungsmoment vereinnahmt wird.

Um das Mundstück des Schnorchels benützen zu können muss man seine Klappe schon mal weit aufreissen, aber selbst der fällt, bei der ersten Begegnung mit einem Walhai, sprichwörtlich ins Wasser. Mit weit geöffneten Augen und Mund, der sich sogleich mit Salzwasser füllt, erstarre ich. Erstarre vor, ja vor was eigentlich ?

Dem Walhai. Welcher als gößter Fisch der Erde majestätisch, lautlos und durch Eleganz wohl kaum zu übertreffen ist, an mir vorbei gleitet. Denken ist jetzt völlig überflüssig, das hat die Evolution schon perfekt eingerichtet und so treibe ich, umgeben von tiefblauer ozeanischer Stille, meinem biologischen Systemen unterworfen, im Geschehen des Moments. Das Tun wurde durch das Wahrnehmen ersetzt und so verharre ich im Staunen, welches in seiner Dimension, gekoppelt mit dem Schrumpfen des ICH’s, zunimmt. Wie misst man eine Begegnung dieser Art, welche an Großartigkeit und Unbeschreiblichkeit einem den Atem raubt und in seiner Einzigartigkeit für immer (ent)fesselt. Gar nicht.

Eine Begegnung mit Walhaien haftet wie ein süßer Kuss unvergesslich in unserer Erinnerung und genauso verzaubernd und lebendig wie in jenem Moment taucht er immer wieder mal auf. Nach mehreren Walhai-Sichtungen bei Tauchgängen in Belize bin ich dieses Mal in Oslob einem kleinen Ort im Südwesten von Cebu auf den Philippinen. Oslob gehört zu den wenigen Orten weltweit wo man 2008 begonnen hat Walhai anzufüttern um sie für touristische Zwecke zu nützen. Seit 2011 läuft das Geschäft: Whale Shark Watching bzw. Schnorcheln und Tauchen mit Walhaien. Der Andrang ist seit dem stetig und exponentiell  gewachsen, die diesbezügliche Infrastruktur hinkt aber weit hinterher und das bei einer durchschnittlichen Anzahl von bis zu 1500 Gästen täglich ! Die Saison lässt sich aufgrund des Wetters zudem noch auf gute 7 Monate ausdehnen und in dieser Zeit werden Hunderttausende Touristen z.B. in Bussen direkt vom Flughafen oder Cebu Stadt zum geschehen gekarrt. Da fließen Millionen…. nicht Pesos sondern Euro !

Das so eine Attraktion Schattenseiten mit sich bringt ist ganz klar und es obliegt wohl dem Ermessen des Betrachters, dies für sich zu beurteilen. Nachdem ich selbst fünf Tage in Folge um sechs Uhr früh vor Ort in Oslob war, um mir das Geschehen von allen Seiten, an Land so wie im und unter Wasser anzusehen, möchte ich euch hier beide Seiten einer Medaille zeigen. Zu erwähnen wäre da noch, dass die Organisation zu 60 % privat und zu 40 % dem philippinischen Staat gehört bzw. verwaltet wird. Für mich war es ein erschütterndes und dennoch atemberaubendes Erlebnis, was sich auf die unglaubliche majestätische Art der Walhaie zurückführen lässt. Aber seht selbst…

Beeindruckend ernüchternd ! Aber ich dachte auch, dass es die Walhaie definitiv und um ein vielfaches besser haben als irgendein anderes Tier im Zoo bzw. Aquarium. Schließlich können sie nach der (An)Fütterung bzw. jederzeit ‚untertauchen‘. Und letztendlich kam ich zu dem Vergleich, dass es sich, ähnlich wie anderswo Tauben in Parks gefüttert werden, bei der Fütterung von Walhaien um die gleiche Vorgehensweise handelt.

Obwohl sich in Oslob fast alles um die Walhaie dreht, bietet die Gegend dennoch genug Möglichkeiten für individuelle Entdeckungen (super mit einem Motorrad zu erkunden). Manche Begegnungen sind so offensichtlich und naheliegend, dass wir sie aufgrund unserer Fokussierung beinahe übersehen. Wer also inne halten kann wird von der Bescheidenheit, der Freundlichkeit sowie von der Zufriedenheit der Philippiner ein weiteres Mal, wie bei der Begegnung mit den Walhaien, reich beschenkt.

Nur 4 km von Oslob entfernt und in den umliegenden Bergen gelegen, gelangt man über eine gut befahrbare Strasse zu den Tumalog Falls – Wasserfälle die nicht nur optisch für eine Erfrischung sorgen. Die Abkühlung und das Rauschen des Wasserfalls lässt einen, versunken im Moment, die Hitze und Anstrengungen des Tages schnell vergessen. Das einzig wirklich unangenehme an jenem Ort ist, dass die kurze Strecke (5 min. Gehzeit vom Parkplatz) für den Großteil der Besucher zu anstrengend ist (bzw. sie zu faul zum Gehen sind) und sie sich mit den extrem lauten stinkenden Motorrädern am liebste direkt ins Wasser transportieren lassen würden. Die Stille wird somit konstant durch den Lärm der Motorräder überschattet, welche für die Fahrstrecke ca. 40 Sekunden brauchen. Ein Witz !

Die Insel Cebu bietet mit ihren knapp 4500 km² eine Unmenge an Entdeckungsmöglichkeiten, da sich alles, wie fast überall,  um die touristisch erschlossenen oder wirtschaftlich wichtigen Örtlichkeiten dreht. Mit ein bisschen mehr Zeit (und Geduld) lassen sich aber auch wunderschöne Touren in abgelegene Regionen dieser bergigen, vegetationsreichen Insel durchführen. Cebu City selbst gehört mit einem Wirtschaftswachstum von etwa 20 % (2005) zu den aufstrebenden Regionen in Südostasien. Wirtschaftsimpulse kommen vor allem aus dem IT-Bereich und dem Tourismus. Spezielle Wirtschaftsareale fördern den Export und gewähren wie die neu entstehenden IT-Parks weitgehende Steuerfreiheit, um ausländische Investoren in die Region zu bringen. Ja, die Philippinen sind chaotisch und dennoch funktioniert das ganze System irgendwie, denn als Basis dient die Gelassenheit. Was an den Philippinen wirklich reizvoll ist, ist der Gedanke, dass der größte Teil der über 7000 Inseln immer noch unbewohnt ist !

Cebu, Februar 2017

 

 

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