Die Augen des Adlers hatten mich erfasst, fixierten unablässig und reagierten auf jede noch so kleine Bewegung von mir. Dieser mächtige Adler saß, gestützt durch eine stabilisierende Holzschiene, auf meiner linken Hand. Mit der rechten führte ich die Zügel des mongolischen Steppenpferdes und so ritten wir tief in den Westen der Mongolei nach Ölgii im Altay.
Wenn ich ‚wir’ schreibe, meine ich Dshingis Kahn und mich und Dshingis Kahn ist nicht das Pferd, sondern mein mongolischer Führer. Ein Nomade und Eagle Hunter wie er im Buche steht und da er kein einziges Wort Englisch sprach bzw. ich kein Wort Mongolisch, fand ich den Namen mehr als passend (was sich später mehrmals bewahrheitete). Schließlich schaffte es damals Dshingis Kahn alle mongolischen Völker zu vereinigen. ,Little’ hingegen schaffte es, (fast) alle Eagle Hunter unter den Nomaden für das jährlich stattfindende Spektakel, Eagle Hunters of Mongolia, zu vereinen. DAS FEST DER ADLER
Es war ein klarer Herbsttag als ich…
mit großer Vorfreude auf diese Reise in Ulan Bator aus dem Flugzeug stieg und mir gleich mal der frische mongolische Wind um die Ohren pfiff. Ein ganzes Jahr war notwendig gewesen, um über mühseligen E-Mailverkehr eine Person zu finden, welche einen Nomaden und Teilnehmer am Eagle Hunting Festival kannte und der auch bereit war, mich samt Pferd dorthin zu führen. Diese Person hieß Olganska, Tochter einer Lehrerfamilie, und sie war es, die alles organisierte und mich auch jetzt vom Flughafen abholte. Ihr Englisch war gut und mein weniges Reisegepäck sowie die Kameras schnell in einem alten klapprigen Jeep verstaut. Die Türen knallten zu und wir fuhren durch die Hauptstadt des Landes. Ulan Bator ist eine schreckliche Stadt, geprägt von alter Kultur und Lebensweisen und von Visionen einzelner Politiker. Die Umweltverschmutzung ist groß und unübersehbar, die Planung der Stadt chaotisch bis nicht existent und da die Mongolei kaum über Grund- bzw. Oberflächenwasser verfügt, ist zukünftig mit noch massiveren Herausforderungen zu rechnen.
Unser Jeep preschte weiter, denn schließlich wollten wir heute Abend noch DIE JURTE oder DAS GER jenes Nomaden erreichen, mit welchem ich dann durch die Steppe zum Festival reiten sollte. Es war schon dunkel als wir weit außerhalb der Stadt in einem kleinen Dorf anhielten und mir wortlos ein Adler überreicht wurde. Großes Staunen und noch größere Augen hatte ich wohl als ich dieses Prachttier auf meinen Schoß hatte und das im Jeep neben meinem Gepäck. Olganska erkläre mir dann, dass dieser wunderbare Adler bis zum Eintreffen bei den Eagle Hunters in Olgii (in ca. 6 Tagen) mein Begleiter sein würde.
Es war später Abend als wir das Ger des Nomaden erreichten und schon beim Eintreten schob sich eine Flut von neuen und meist unangenehmen Gerüchen in meine Nase. Gerüche die mir noch für Wochen folgen würden. Die Ger war verraucht und die zentrale Kochstelle war mit Töpfen voller Hammelfleisch gefüllt. Es stank und immer wieder wurde Holz und getrockneter Pferdedung in den Ofen geschoben, um die an den Rändern aufgehängten Fleischteile gut zu räuchern. Da Wasser in der Mongolei Mangelware ist kommt auch die Körperhygiene (immer) zu kurz. Die Nächte sind sternenklar und wenn der Ofen einmal aus ist auch eiskalt. Und so legt man sich grundsätzlich gleich in voller Bekleidung (meist samt Schuhen) auf die am Boden liegenden Teppiche und Felle.
Die Pferde waren am nächsten Morgen schnell gepackt und Dshingis Kahns Reisegepäck für seine nächsten 20 Tage war das Minimalste was ich je sah. Er hatte nichts dabei. In seiner traditionellen mongolischen Tracht und mit einem Messer, einem Gewehr und einem Stück Fleisch für seine Adler ritten wir los. Bei jeder Ger findet man Holzpfähle, auf welchen die Adler schlafen und wenn nicht gejagt wird, haben sie auch immer die kleinen Lederhauben auf ihren Köpfen, um die Augen zu verdecken. Nur bei der Jagd bzw. bei der Präsentation des Adlers wird das Häubchen abgenommen denn sonst wäre der Adler stets abgelenkt und würde wild mit den Flügeln schlagen, um abzuheben.
Das Holzstück, auf welchem mein linker Arm liegt, befindet sich zwischen dem Sattel und dem Adler, um das Gewicht des Adlers zu tragen, welches sonst schon nach wenigen Minuten nicht mehr zu tragen wäre. Ein Lederband, welches um die Beine des Adlers gebunden und in der Verlängerung um meine Hand gewickelt ist, hält ihn wortwörtlich an der kurzen Leine.
Dshingis Kahn, mein Führer, sprach kein Wort während wir stundenlang durch die mongolische Steppe ritten. Er blickte immer wieder in alle Himmelsrichtungen sowie gegen den Himmel und wenn er etwas erblickte, musste es, in Bezug auf die Jagd, rasch gehen. Er zeigt mir wie man das Häubchen des Adlers und die Fußbänder schnell entfernte und das Tier mit einem kräftig Aufwärtsruck des Armes in die Höhe katapultierte. Der Adler machte dann ein paar kräftige Flügelschläge und war schnell außer Sichtweite. Offenbar zielsicher ritt Dshingis Kahn weiter und es vergingen gut 20 Minuten bis auch ich den Adler am Boden hocken sehen konnte. Majestätisch und mächtig saß er auf seiner Beute, die Krallen fest in den Hasen gekrallt. Wir stiegen vom Pferd und erst dann wich der Adler ein Stück ab und Dshingis Kahn begann den Hasen mit seinem Messer auszunehmen. Das erste Stück, wie sollte es anders sein, bekam sofort der Adler. Der Rest wurde ausgenommen, gereinigt und für den Abend aufgehoben.
Die sechs Tage vergingen wie im Flug und obwohl es jeden Tag den gleichen Ablauf gab, wich die Spannung nie. Die Nächte in den verschiedenen Gers waren dafür umso stickiger und unangenehmer – es war der Alkohol, der Rauch und, um es einfach auszudrücken, der Gestank von Ungepflegtheit. Spätestens am nächsten Morgen, wenn wir wieder in den Sätteln saßen, war alles vergessen und so ritten wir ohne Worte durch die karge aber faszinierende mongolisch Landschaft und kamen Ölgii, dem Austragungsort des Eagle Hurtig Festivals, immer näher.
Mitte Oktober, irgendwo südwestlich von Ölgii…. ich war schon oft am Arsch der Welt, aber dieses Mal war’s anders. Die Vorstellung wie es wirklich zu den Zeiten zu Dshingis Kahn ausgesehen hatte (nicht viel anders als jetzt) und wie die Nomaden gelebt hatten (auch nicht viel anders als jetzt) viel mir absolut nicht mehr schwer.
Eagle Hunting Festival…
Vier Tage lang stellen die Nomaden ihre Adler zur Schau und lassen sie auf traditionelle Weise jagen, präsentieren ihre eigenen Bräuche, saufen sich die Hucke voll und messen sich in typisch männlichen Spielen. Wie sie mit ihren Pferden und Kamelen umgehen, ist schon erstaunlich und noch mehr, was sie alles damit machen können. Die Geschicklichkeit der Pferde wird bei den Reitwettbewerben zur Schau gestellt. Aber die absoluten Highlights sind jene Wettbewerbe, wo die Eagle Hunter ihren Adler auf die Spitze eines kleinen Berghügels setzen, dann wegreiten, um dann nach ca. 200 Meter Abstand den „Eagle Call“ zu machen. Jeder Eagle Hunter hat seinen eigenen individuellen Ruf, um seinen Adler zu rufen. Der Hunter hat eine schon getötete Beute an einem Seil befestigt, welches wiederum bis zu seinem Sattel führt. Bei einem Zeichen der Schiedsrichter (ausgewählte erfahrene Eagle Hunter) ruft der Hunter seinen Adler und von da an wird die Zeit gemessen, die der Adler braucht, um die am Seil befestigte Beute zu schlagen.
Die Szenerie sucht seinesgleichen und die karge Landschaft nimmt einen gefangen, zieht einen in den Bann längst vergangener Zeiten und lässt diese wieder spürbar lebendig werden.
Den Abschluss bilden die faszinierenden Bogenschützen und was mich betrifft… fühle ich mich schon längst als ‚little Dhsingis Kahn‘.
Traditionelle Kleidung, Kunsthandwerk, Vorführungen der Reitkünste und die eben beschriebene Jagd mit den Adlern macht dieses einzigartige Festival im westlichen Teil der Mongolei zu einem unvergesslich abenteuerlichen Erlebnis. Anbieter für Individualreisen in die Mongolei:
Mongolei, September – Oktober 2008