Wie in vielen Ländern Afrikas sollte man auch in Äthiopien mit dem unerwarteten, unvorhersehbaren rechnen. Aufgrund der nicht leicht zu organisierenden individuellen Reise versuchte ich trotz allem meine Vorhaben zu strukturieren und so genau wie möglich zu planen. In den folgenden drei Blogs Posts über Äthiopien werde ich euch die Reise, so wie sie abgelaufen ist, schildern um euch eine authentische Teilnahme vermitteln zu können. Was den Titel des Blog Posts: LUCY (von amharisch für: Du Wunderbare) betrifft so ist es der Name des fossilen Teilskelettes eines sehr wahrscheinlich weiblichen Individuums des Vormenschen Australopithecus afarensis, das 1974 im nordostafrikanischen Afar-Dreieck in Äthiopien gefunden wurde. Mehr dazu unter: Lucy
Zuallererst aber mal ein kurzer Überblick: Äthiopien verfügt über immens große, naturbelassene Areale so wie über schwer fassbare kulturelle und historische Ressourcen. Äthiopien hat mehrfache UNESCO world heritage sites und ist für die unglaublichen Landschaften, altertümlich Religionen, so wie für die Einzigartigkeit ihres Alphabets und Kalenders bekannt. Zudem behaupten viel das Äthiopien der Geburtsort bzw. die Wiege der Menschheit ist. Es gibt an die 80 verschiedenen ethnischen Gruppen, viele davon mit einer ausgeprägten eigenen Sprache und Kultur. Das zum größten Teil noch unerschlossene touristische Potenzial Äthiopiens wird zukünftig eine noch weitaus größere Rolle für lokale und ausländische Investoren darstellen, als was jetzt schon der Fall ist. Das Interesse an ökologischen Tourismus Expeditionen, an Geschichte, Kultur und Äthiopiens vielfältiger Tierwelt (viele davon einzigartig und indigen) ist einfach enorm. Doch es gibt noch weitere Themengebiete und Interessen wie, exotische Landschaften, prähistorische Stätten, architektonische Ruinen mit religiösen und historischen hohen Stellenwert, welche die Einnahmen ankurbeln könnte.
Viele der in Äthiopien ansässigen touristischen Standorte sind völlig unerschlossen bzw. nicht entwickelt und vermissen die oft einfachsten Einrichtungen wie Toiletten, Unterkunft und Einkaufsmöglichkeiten. Dazu kommt noch den dringenden Bedarf an Unterkünften (internationalen Standards) in Bezug auf das hohe Volumen an Transit Passagieren welche über Addis Ababa, Bole International Airport reisen, anzupassen. Zusätzlich dient Addis Ababa als Hauptquartier der African Union and United Nations Economic Commission for Africa (UNECA) häufiger Austragungsort für internationale Konferenzen und Veranstaltungen. Äthiopiens Tourismus organisation (ETO) ist stark daran interessiert den touristischen Sektor über die nächsten Jahre auszubauen.
Dazu die Fakten: Zurzeit trägt die Reise- und Tourismus Branche nur mit 1,2 % zum Bruttoinlandsprodukt bei! Der Plan der Äthiopischen Regierung ist es diese zahl bis 2024 auf 9 % zu erhöhen! Doch bevor ich jetzt mit euch endgültig die Reise antrete, möchte ich noch auf einige wenige, aber wesentliche Themen, die nur allzu gerne verniedlicht werden, aufmerksam machen.
- Äthiopien ist nominell eine parlamentarische Demokratie, in Wirklichkeit aber ein autoritäres Regime!
- Hochzeit durch Entführung bzw. Verschleppung ist KEIN Verbrechen in Äthiopien!
- Menschenrechte in Äthiopien: Amnesty Report 2016/17
- Anbei eine (englische) Einschätzung über: Frauenrechte in Äthiopien
Aber jetzt gehts los, dass folgende Bild zeigt euch den ersten von zwei Abschnitten meiner Reise. Vierzehn Tage und ca. 2200 km (alleine) mit einem privaten Fahrer in den Südwesten Äthiopiens.
Seit Tausenden von Jahren war das Omo-Tal im Süden Äthiopiens eine Kreuzung für Scharen von Menschen, die in neue Länder ziehen. Heute ist es zweifellos einer der einzigartigen Orte auf der Erde wegen der Vielfalt der Stammesgruppen, die in dieser abgelegenen Gegend des Großen Afrikanischen Grabenbruchs leben. Für eine lange Zeit wollte ich Teil dieser außergewöhnlichen Gelegenheit sein, in das Gefüge einiger dieser Gesellschaften einzutauchen, einschließlich der Mursi, Hamer und Karo Stämme, jeder mit seiner eigenen Kultur. Dadurch wusste ich, dass ich ein echtes Abenteuer mit herausfordernden Bedingungen erwarten musste. Das Omo-Tal ist eine unglaubliche Erinnerung an ein Afrika, das noch nicht (viel) Modernisierung gesehen hat. Addis Abeba liegt auf einer Höhe von 2.200 Metern, die Bevölkerung ist ungefähr 3,5 Millionen! Die Stadt selbst ist sein eigenes Universum, und nachdem ich einige Teile erkundet hatte zog ich los um die Vororte dieser Metropole (großes Lachen) und deren lokalen Lebensstil zu erkunden.
Viele Recherchen waren notwendig und im Vorfeld organisierte ich zwei individuelle Fahrer für die unterschiedlichen Destinationen welche ich Bereiste. Von Addis Abeba fuhren wir (das wir im Text bezieht sich immer auf den Fahrer und mich) in die Omo Valley Region und genossen eine Bootsfahrt auf dem Lake Chamo, um Flusspferde und eine Reihe von Wasservögeln zu beobachten. In den nächsten Tagen zogen wir von Dorf zu Dorf und erlebten traditionelle Lebensstile bei den Besuchen vieler unterschiedlicher ethnischer Stämme. Die Mursi-Traditionen, deren Frauen große Tonplatten in ihre Unterlippen einführen, die Hamer, die ihre Körper mit Zeichen ihrer Kultur vernarben und bemalen, sind unglaublich faszinierend. Die Rückkehr nach Addis Abeba war nach vierzehn faszinierend anstrengenden Tagen eine gute Wahl so wie eine notwendige Pause zur Reflexion dieser, durch facettenreiche Eindrücke begleitenen, Abenteuerreise welche geprägt von vielen bewegenden Erfahrungen (mehr oder weniger) ganzer Kulturen und Zeremonien, war. Doch jetztgehts weiter zum Chamo See.
Ich bin mir sicher das sich in Äthiopien vieles verändert hat aber einige fundamentale Gegebenheiten scheinen noch tief mit alten Traditionen und Glaubenssätzen verwurzelt zu sein. Während Männer kaum zu sehen sind, zumindest was das Thema Arbeit betrifft, sind die Frauen immer noch mit jenen, für Äthiopien zutreffenden, fundamentalsten Themen des Brennholzes Sammelns, die Beschaffung von frischen Wasser und dem gebären wie großziehen von Kindern, beschäftigt.
Die Fahrt von Addis nach Arbaminch, (450 km) über Hossana. Der Name Addis Abeba bedeutet auf Amharisch ,neue Blume‘ (wie unpassend für den heutigen Zusatnd der Stadt). Addis Abeba wurde 1886 von Menelik II gegründet und befindet sich 2.500 Meter über dem Meeresspiegel in einem der höchsten Teile der Entoto Bergkette. Es hat ganzjährig ein ausgezeichnetes Klima mit einer durchschnittlichen Temperatur von 25°C.
Addis Abeba ist die dritthöchste Hauptstadt der Welt und die Höhe kann einen schnell ermüden. Wer einwenig Zeit in Addis Abeba vor/nach der Reise hat, kann eine Tour durch diese faszinierende Stadt unternehmen und das Nationalmuseum besuchen oder das Treiben des ,Mercato‘ genießen. Dieser farbenfrohe Markt bietet eine Vielzahl faszinierend unterschiedlicher Waren an und bietet einen ausgezeichneten Ort für die Erkundung. In der ganzen Stadt verkaufen einige Geschäfte typische Handwerkswaren, Materialien und Antiquitäten. Und JA, es gibt viele Anstrengungen in Bezug auf die Veränderungen in Äthiopien, aber und vor allem in Addis Abeba Stadt gibt es in vielerlei Hinsicht Unordnung wie Misswirtschaft, Korruption und chaotische Planung. Abwasser, Elektro- Installations und Abfallwirtschaftskonzepte existieren nicht überall und wenn dann in einem sehr schlechten Zustand.
Chamosee und Fahrt nach Jinka – heute Morgen genieße ich eine Bootsfahrt auf dem Chamosee welcher im südlichen äthiopischen Graben nahe der Stadt Arba Minch liegt. Nur wenige Boote waren am See, welcher zwar groß aber mit nur 14 Metern Tiefe, nicht vor dem Austrocknen gefeit ist. Adler, Wasservögel und ein paar Flusspferede waren glich mal entdeckt aber die rießiegen Krokodile waren dann doch eine fast (prähistorsche) Sensation! Mit einer Länge von etwa 32 km bietet der See reiche Feuchtgebiete für viele Arten von Flora und Fauna, am Nachmittag fuhren wir weiter nach Jinka (250 km).
Mursi Dorfbesuch, Jinka Museum und Fahrt nach Turmi – heute begann meine Reise mit einem Ausflug in ein Mursi Dorf (ca. 70 km von Jinka entfernt). Die Mursi sind eine der ursprünglichen ethnischen Gruppen in Äthiopien. Sie leben in sehr niedrigen Strohhüttenhütten und die Frauen tragen (aus Tradition!!!) Terrakotta-Schmuck auf/in ihren enorm gedehnten Unterlippen und Ohrläppchen, Männer sind berühmt für ihre Frisuren. Im Anschluss besuchte ich das Jinka Museum, dass die permanente kulturelle Sammlung des Southern Omo Research Centers und die fortlaufende Erforschung der verschiedenen ethnischen Gruppen enthält so wie einen detaillierten Überblick über die Menschen und Traditionen des Omo-Tals bietet.
Am Nachmittag fuhren wir nach Turmi (120 km), eine der größten Städte in der Region. An dieser Stelle möchte ich erwähnen das, um Fotos bei den unterschiedlichen ethnischen Stämmen zu machen, man auf jedenFall dafür bezahlen muss. Alle bitten um Geld und das ist natürlich verständlich wie nervig, meinerseits habe ich versucht die Bezahlung von/für Fotos mit Bargeld als letzte Option zu verwenden (was mir auch des öfteren gelang). Als Alternative hatt ich immer viele Lebensmittel (keinen Alkohol) zum Tausch dabei. Die ganze Thema ist grundsätzlich sehr heikel und ich kann nur empfehlen das sich jeder Besucher schon (so gut es geht) im Vorfeld bewusst ist auf was er sich einlässt. Erwähnen möchte ich es auch um hier gleich mal alle naiven Vorstellungen einer etwaigen Zeitreise ins rechte Licht zu setzen.
Die Mursi (Eigenbezeichnung Mun) sind eine Ethnie im Südwesten Äthiopiens mit weniger als 10.000 Angehörigen und ist im isolierten Omo-Tal, nahe der Grenze zum Sudan, angesiedelt. Die Mursi sind bekannt für die ,Lippenteller‘ der Frauen. Um diese einzusetzen, wird bei Mädchen am Ende der Pubertät die Unterlippe aufgeschnitten, und zwei der unteren Schneidezähne werden ausgeschlagen. Die Tonteller werden von den Mädchen selbst geformt und gebrannt. Immer größere Exemplare werden eingesetzt, um die Unterlippe allmählich zu dehnen. Auf dieselbe Art werden häufig die Ohrläppchen verziert.
Ihr Markenzeichen ,Untertassen-Lippenteller‘ (dhebi a tugoin) wurde zum wichtigsten sichtbaren Unterscheidungsmerkmal der Mursi und machte sie zu einer Hauptattraktion für Touristen. Der Schnitt wird übrigens mit einem Holzpfropfen offengehalten, bis die Wunde heilt. Es scheint Sache des einzelnen Mädchens zu sein, zu entscheiden, wie weit die Lippe gedehnt werden soll, indem progressiv größere Plugs über einen Zeitraum von mehreren Monaten eingefügt werden. Einige, aber keineswegs alle Mädchen beharren darauf, ihre Lippen mit Platten von 12 Zentimetern Durchmesser oder mehr aufzunehmen.
Wie andere Formen der Körperdekoration die weltweit gefunden werden (wie Ohrlochstechen, Tätowieren usw.), wird die von Mursi-Frauen getragene Lippenplatte am besten als Ausdruck des sozialen Erwachsenenalters und des Reproduktions-potentials gesehen. Es ist eine Art ,Brücke‘ zwischen dem Individuum und der Gesellschaft – zwischen dem biologischen und dem sozialen ,Selbst‘.
Unglaublich, unverständlich aber immer noch praktiziert: Die Selbstverstümmelung und Beschneidung werden in Äthiopien immer noch durchgeführt. Anbei ein aktuells Bild um auf die Verbreitung von Beschneidungen in Afrika hinzuweisen.
Ich könnte noch lange mit Geschichten, emotionalen Begegnungen, Gedanken und Abenteuern über Äthiopien fortfahren, aber ich werde den Blog Post, Äthiopien Teil I hier beenden und mit einigen bewegenden Erfahrungen und Bildern in Äthiopien Teil II fortfahren.
Anbei noch einige Länderinformationen: Äthiopien, das Horn von Afrika liegt nördlich des Äquators im Nordosten Afrikas. Lange als Abessinien bekannt, steht es zwischen den Kulturen des Mittelmeeres und den Stammesvölkern Afrikas und rühmt sich der Ursprünge der Menschheit. Äthiopien ist sowohl in der Größe als auch in der Bevölkerung eines der größten Länder Afrikas. Mit einer Fläche von 1.235.000 Quadratkilometern ist es etwa doppelt so groß wie Kenia oder Frankreich. Die Bevölkerung ist ungefähr 82 Millionen – mit der dichtesten Bevölkerung im fruchtbaren zentralen Hochland. Ein großer Teil von Äthiopien ist immer noch wenig beinfluss und fördert Geistesfreiheit. Äthiopien war in der Lage, seinen scharfen, unabhängigen Charakter zu bewahren und nicht von den Wegen der Kolonisten (zu stark) beeinträchtigt zu werden. Es ist diese Einzigartigkeit, die Äthiopien so anziehend macht. Seine Leute haben eine unglaubliche Anpassungsfähigkeit und zeigen echten Stolz auf ihre Kultur und Zivilisation, was sich in ihren vielen bunten Feierlichkeiten zeigt. Fast 90 % aller Äthiopier betreiben Landwirtschaft und Viehzucht und leben auf dem Land. Die peripheren Bewohner von Äthiopien führen eine nomadische und pastorale Lebensweise, während das zentrale Hochland Bauerngemeinden unterstützt. Die christlichen Hochlandvölker sind seit über 16 Jahrhunderten einem biblischen, moralischen und bürgerlichen Verhaltenskodex gefolgt. Äthiopiens ländliche Kultur und Traditionen sowie die Vielfalt dieses abgelegenen Landes mit seinen unglaublichen Menschen zu erleben, ist ein unvergessliches Abenteuer.
Annmerkung: Wenn Sie nach Äthiopien reisen um einige der ethnischen Gruppen zu besuchen und Fotos zu machen, denken Sie daran, dass Sie für die aufgenommenen Bilder bezahlen müssen. Vielleicht gelingt es dir (wie mir) für Bilder Lebensmittel zu tauschen. Es klappt nicht überall, ist aber ein weitaus besseres Gefühl als dafür mit Bargeld zu bezahlen. Geschenke für die Kinder zu bringen ist natürlich sehr verlockend und so brachte ich 50 kleine Behälter mit Seifenblasen und viele Buntstifte mit. Ich möchtte aber darauf hinweisen, dass die Buntstifte an vielen Stellen ein großes Fragezeichen hervorriefen, da viele der Kinder noch nie Papier gesehen haben!
Roland Hummer, Äthiopien Januar 2018